Gedenkfeier „Gegen das Vergessen“ auf dem jüdischen Friedhof in Eimelrod
WLZ, 11.11.2022: Willingen-Eimelrod – Auch wenn sie Schicksale nur mit wenigen Worten umreißen: Die Schüler brauchen eine knappe Viertelstunde, um an alle während der Nazi-Herrschaft verfolgten und ermordeten Juden des Uplands zu erinnern. Während Namen, Familien und immer wieder letzte Stationen wie Au-schwitz, Sobibor, Riga und Theresienstadt vorgelesen werden, liegt Stille über dem jüdischen Friedhof in Eimelrod, auf dem sich neben den Schülern der elften Klassen der Uplandschule die Konfirmanden, Vertreter der Kirchengemeinden und viele weitere Interessierte getroffen haben, um am Jahrestag der Novemberpogrome gemeinsam zu gedenken.
Der Willinger Pfarrer Christian Röhling erinnerte an das barbarische Regime, das unter Hitler herrschte und Menschen in höher- und minderwertige Rassen einteilte. Im November 1938 brach die Gewalt im ganzen Land los – und viele sahen weg, während andere sich beteiligten. Dass Gruppen sich durch solches Handeln stark fühlen, sei so wenig vergangen wie Hetze und Fremdenhass. Deshalb sei es wichtig, immer wieder darüber zu reden, hielt Röhling fest: „Vielleicht gibt es dann eine Chance, dass sich Menschen erheben, wenn Unrecht geschieht.“
„Wie war es nur möglich?“, fragten Gemeindereferentin Angelika Schneider und Pfarrerin Stephanie Stracke im Gebet: dass Menschen alle Verbindungen zu Nachbarn abbrachen, weil sie Juden waren; dass sie trotz Wissen über Recht und Unrecht nichts einzuwenden hatten gegen Entrechtung und Ermordung; und dass auch die Kirchen nicht halfen, sondern im Gegenteil sogar Christen jüdischer Abstammung ausschlossen. „Bewahre uns davor, dass wir wieder aus Feigheit, bewusster Interesselosigkeit oder geheuchelter Unwissenheit schuldig werden“, bat Stephanie Stracke zum Abschluss.
Oft bestimmten Angst, Wut und Machtlosigkeit das Leben, sagte Gisela Grundmann, Pfarrerin im Ruhestand. Deshalb ihre Bitte an Gott: „Dass wir immer wieder neu lernen, unsere Mitmenschen im Licht deiner Liebe zu sehen, die allen Menschen gilt.“
Ursula Beste und Ulrich Faß-Gerold lasen aus Psalm 42, der über dunkle Zeiten und den Hohn der Feinde geht: „Wo ist nun dein Gott?“ Er ruft zum Ausharren und Vertrauen auf. Selbst in finstersten Zeiten beteten die Juden das Kaddisch, das auch beim Gedenken aufgegriffen wurde. Auch das letzte Lied, das die Versammelten sangen, „Freunde, dass der Mandelzweig“, sollte ein Zeichen der Hoffnung sein, dass nach allem Leid das Leben siegt.
Menschen mitten im Leben, alte Damen und Jugendliche, die alles noch vor sich gehabt hätten: Die Schüler gedachten ihnen letztlich nicht nur durch Vorlesen, sondern hinterließen am von Ortsvorsteher Johannes Bäcker niedergelegten Kranz gemäß jüdischer Sitte Steine nieder – eine letzte Geste gegen das Vergessen. wf