Mein Auslandsjahr mit dem Parlamentarischen-Patenschaftsprogramm

Am 1. August 2023 ging es für mich, Philipp Große-Gehling, damals 15 Jahre alt und aus Willingen, vom Frankfurter Flughafen in mein Auslandjahr. Mein neues Zuhause für 10 Monate war Boise, die Hauptstadt Idahos. Hier leben ca. 236.000 Menschen. Ich wurde von meiner Gastfamilie am Flughafen in Boise abgeholt und herzlich mit einem „Welcome to Idaho, Philipp“ Schild empfangen. Meine Gastfamilie bestand aus dem Gastvater Barrett und Gastmutter Kendra, sowie vier Gastgeschwistern (Anson, Eden, Bo und Dax). Ich hatte das Glück, von Anfang an super aufgenommen worden zu sein, sodass ich schon einige Leute in meinem Alter kannte, bevor ich überhaupt zum ersten Mal zur High School ging.
Die Schule unterschied sich von dem, was ich aus Deutschland kannte: Das System war flexibler, und es gab eine Vielzahl von Nachmittagsprogrammen, die sogenannten: „extracurricular activities“. Durch meinen Gastbruder Bo konnte ich zusammen mit ihm sofort in der Marching Band und Jazz Band spielen. Außerdem trat ich dem Schwimmteam bei und schwamm für meine Schule, die Capital High School. Die Schule machte mir dadurch sehr viel Spaß und ich fand sehr schnell Freunde, meine Englisch Kenntnisse verbesserten sich und die Zeit verging wie im Flug. Während es im Sommer in Boise sehr heiß werden kann, mit Temperaturen bis zu 40°C, wurde es allmählich kühler. Der Name Boise kommt aus dem französischen und bedeutet: „bewaldet“, daher ist der Herbst hier von vielen bunten Bäumen geprägt. Im Winter war es sehr kalt und es gab viel Schnee. Anders als bei uns, werden Nebenstraßen in Boise nicht durch den Räum- und Streudienst vom Schnee befreit. Daher war es schon abenteuerlich zur Schule zu kommen. Die „Swim Season“ war im November zu Ende, da die Schule nur über ein Außenbecken verfügte. In der Wintersaison trat ich dem Ski Team bei. Im 1 ½ stündlich entfernten Skigebiet „Bogus Basin“ konnte man super Skifahren. Jedes Wochenende fanden dort Skirennen statt, bei dem meine Mannschaft auch einen Preis gewann.
Ein besonderes Erlebnis während meines Aufenthaltes war der Civic Education Workshop in Washington D.C., an dem ich durch mein Stipendium vom Deutschen Bundestag im November teilnahm. Diese Woche war nicht nur lehrreich, sondern einfach atemberaubend. Der Workshop drehte sich vor allem um Politik und Leadership. Am Tag nach der Anreise durften wir zunächst einem interaktiven Vortrag zum Thema Leadership lauschen und wurden durch Liveexperimente mit einbezogen. Am nächsten Tag ging es für uns zum US-Außenministerium, dem „Department of State“. Dort begrüßte uns ein deutscher und ein amerikanischer Diplomat und sie gaben uns einen Einblick in den Tag.
Wir wurden in Gruppen eingeteilt, um eine diplomatische Simulation zu machen. Der Fall bestand aus einer virtuellen Flüchtlingskrise, bei der ein imaginäres Land durch Unterdrückung eine ethnische Gruppe aus ihrem Land vertreiben wollten. Viele Angehörige dieser flohen in das Nachbarland. Die Vereinten Nationen beriefen eine diplomatische Sitzung ein. Wir wurden nun zufällig einem Land oder einer Organisation zugeteilt zum Beispiel den Vereinten Nationen. Unsere Aufgabe war es, durch Gespräche und Diskussionen, eine Lösung für das diplomatische Problem zu finden. Dabei hatten wir auch, wie in einer echten diplomatischen Sitzung Zeitdruck. Interessant war, wie schnell Dingen zugestimmt wurde, wenn alle die Zeit „im Nacken sitzen haben“ und dass, obwohl nicht alle einhundertprozentig einer Meinung waren. Mir wurde die Rolle des Speakers zugeteilt. Das hieß, dass es meine Aufgabe war, die Ergebnisse meiner Organisation in der großen Sitzungsrunde vorzutragen. Danach ging es dann wieder in kleine Gespräche, um weiter nach einer Lösung zu suchen. Diese Simulation dauerte circa zwei Stunden. Im Anschluss wurden wir kurz durch das Ministerium geführt und hatten Zeit für einen Austausch mit den Simulationsleitern, die gleichzeitig auch Diplomaten waren.
Am darauffolgen Tag waren wir am Capitol Hill. Uns wurde zuerst das gesamte Gelände erklärt, dann hatten wir die Möglichkeit in kleinen Gruppen das Areal zu erkunden. Meine Gruppe und ich gingen zuerst auf die Besucher Tribünen des Senates, denn dort lief gerade eine Abstimmung. Im Anschluss nahmen wir an der Führung im Capitol teil. Später besuchten wir eine Anhörung zum Thema Künstliche Intelligenz. Dort war auch ein Senator anwesend, den wir bereits bei der Abstimmung gesehen hatten. Uns wurde kurz nach der Debatte von einer Mitarbeiterin empfohlen die „Library of Congress“ zu besuchen. Und sie hatte recht, ein wirklich beeindruckendes Gebäude mit tausenden von Büchern. Normale Besucher können nur durch ein Fenster in die eigentliche Bibliothek schauen. Wir konnten uns Leseausweise machen lassen. Dies dauert circa zehn Minuten und damit konnte man sich in Ruhe auch die ganzen Bücher aus nächster Nähe ansehen.
Der letzte Tag dieses Trips war mit Abstand das Highlight. Durch mein politisches Stipendium wurde ich von dem Mitglied (welche für meinen Bundesstaat im US-Repräsentantenhauses sitzt) eingeladen. Wir redeten über die Unterschiede zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch darüber wieviel man lernen kann, wenn man ein Jahr in einem anderen Land verbringt und zur Schule geht.
Kurz nach meiner Rückkehr nach Idaho war Thanksgiving. Wir feierten mit der ganzen Familie bei den Eltern meines Gastvaters. Es gab ein traditionelles Thanksgiving essen, bei dem der Truthahn natürlich nicht fehlen durfte. Nach dem sehr reichhaltigen Essen spielten wir Gesellschaftsspiele und waren im Whirlpool. Auch die Weihnachtszeit war ein weiteres Highlight. Alles wurde geschmückt und leuchtet in bunt. Die Amerikaner kamen früher in Weihnachtsstimmung, direkt nach Thanksgiving. Allerdings bauten sie ihre Beleuchtung nach Weihnachten schnell wieder ab. Es war interessant auch die unterschiedliche Weise zu erleben, wie dort Weihnachten gefeiert wird. So öffneten wir die Geschenke am Morgen des 25. Dezembers, ganz traditionell im Schlafanzug. Den jeder am Abend vorher neu bekommen hatte. Nach Weihnachten lief die Zeit nur so dahin. In den Frühlingsferien reiste ich mit meiner Gastfamilie nach San Francisco. Wir schauten uns gemeinsam die Stadt an. Natürlich durften die Golden Gate Bridge, Alcatraz, Cable Cars und Fisherman´s Warf nicht fehlen.
Alles in Allem war mein Auslandsjahr ein absolutes Highlight in meinem Leben, welches ich auf keinen Fall missen möchte. Die Kultur kennenzulernen und neue Freunde zu finden, war eine superschöne Erfahrung. Meine neuen Freunde und meine Gastfamilie sind wirklich wunderbar. Ich hoffe sehr, dass auch Sie alle irgendwann mal Deutschland besuchen und ich Ihnen allen unsere schöne Heimat zeigen kann. Damit ich Ihnen ein bisschen von alle dem, was sie für mich getan haben, zurückgeben kann.
Auch die Schule war großartig, auch wenn es vom Schulstoff schwerer war als viele denken. Man muss definitiv etwas dafür tun, denn sonst sitzt man ganz schnell im nächsten Flieger nach Hause. Außerhalb der Schule haben mir die Nachmittagsaktivitäten viel Spaß gemacht und vor allem der Civic Education Workshop in Washington D.C. war wunderbar. Ich bin dankbar für diese unglaubliche Chance und die Möglichkeit, die mir gegeben wurde. Besonders möchte ich mich noch einmal bei Herrn Schwarz für das Vertrauen in mich bedanken. Er hatte mich für das Stipendium ausgewählt und war mein Pate das Jahr über. Mittlerweile ist er aus dem Bundestag in den hessischen Landtag gewechselt und ist unser hessischer Kultusminister. Vielen Dank!