„Das habe ich vom Papa geerbt“
WLZ, 11.02.2023: Oberammergau/Willingen – Malte als „Mini Kini“ auf Platz zwei über vier Kilometer in der U9 in freier Technik, Jörg auf Platz 56 über 42 Kilometer in der Altersklasse 2 – als Familienevent absolvierten Vater und Sohn aus Willingen mit 1400 anderen Skilangläufern den König- Ludwig-Lauf in Oberammergau – der Junior im herausfordernden Nassschnee, der Senior in schneller, gefrorener Spur. Malte und Jörg Gerstengarbe kehrten zufrieden vom im im klassischen Stil gelaufenen deutschen Traditionsrennen ins Upland zurück. Franziska Müller und Thomas Bing aus dem Nationalteam hießen die Sieger.
Bing versuchte sich zuletzt schon beim weltberühmten Wasa-Lauf über 90 Kilometer von Säle nach Mora in Schweden. Der ist auch immer wieder ein Thema in der Familie Gerstengarbe. Jörg hat ihn 2015 das erste Mal bestritten und auf Rang 602 beendet. Ein Jahr später war er mit knapp zwei Minuten über fünf Stunden schneller, aber kam etwas weiter hinten ins Ziel. „Ich plane in diesem oder im nächsten Winter noch einmal an den Start zu gehen, um möglichst unter fünf Stunden ins Ziel zu kommen“, sagt der Sportlehrer an der Uplandschule.
Unter fünf Stunden und vielleicht auch unter 4:54:29 Stunden. Das ist nämlich die persönliche Bestleistung seiner Frau Monica Gerstengarbe-Lazarut, die professionell bei den großen Massenskirennen an den Start ging, 2002 und 2003 auch über die 90 Kilometer von Sälen nach Mora und mit dieser Zeit sehr starke Vierte geworden war. So wie ein anderer Willinger, Jochen Behle, 1996. Jörg Gerstengarbe hat der aus Rumänien stammenden und inzwischen auch als Lehrertrainerin am Skigymnasium tätigen früheren Profiläuferin beim „Vasaloppet“ vor 20 Jahren die Ski gewachst. „Das habe ich von Papa geerbt.“
Denn der Langlauf liegt in der Familie. Vater Willi war Westdeutscher Meister. Den Postbeamten kannte in Willingen jedes Kind. Über einen finnischen Trainer fasste er in der Skiszene und auch der Skiindustrie Fuß, nahm seine Frau und die Söhne Oliver und Jörg mit zu Weltmeisterschaften und Rennen im In- und Ausland, tüftelte an Ski, Wachs, Bindungen, Stöcken, erwarb Patente und wurde sogar von adidas beruflich als Entwickler umworben. Er schlug das Angebot aber aus, um Beamter zu bleiben. Willi Gerstengarbe erkundete für adidas zum Beispiel den Ski des Überraschungszweiten Bill Koch, der 1976 in Innsbruck Silber gewonnen hatte, in dem er dem US-Boy im Zielraum gratulierte und dabei seine Skier hielt. Damals waren solche Kontakte nach den Rennen noch möglich. Koch hatte Fell-Ski benutzt, was Gerstengarbe weiter meldete.
Der langlaufende Postler aus Willingen entwickelte Patente für Skistöcke und Bindungen. So staunte etwa die internationale Konkurrenz beim Cup Kurrikula, der dem heutigen Alpencup entspricht, nicht schlecht, als schon im Jahr 1976 der junge Jochen Behle für Gerstengarbe und die Herzogenauracher Firma mit einer Schnabel-Bindung unterwegs war, als Testläufer sozusagen, und ihr letztendlich zum Durchbruch verhalf.
Oliver, der bei einem Energiekonzern angestellt ist, läuft nur noch hobbymäßig im Sauerland, Jörg hat nicht nur das Skiwachsen vom Papa „geerbt“, er war Ettelsbergsieger, Fuchs beim Ski-Club, Trainer etc. und hat nach wie vor sportliche Ambitionen beim Wasa- oder Skadi-Lauf. Sohn Malte, der frischgebackene „Mini Kini“, tritt wiederum schon in seine Fußstapfen.
VON WERNER RABE